Last updated: 17.05.2003



Die Laufbewegung in Wremen kommt in die Jahre. Seit mehr als einem Jahrzehnt gehören die Jogger zum gewohnten Anblick im Dorf und umzu. Der bevorstehende 10. Wremer Deichlauf bietet eine gute Gelegenheit, einmal in Ruhe Rückschau zu halten.

Wie fing das damals eigentlich an? Will man jemand hinter dem Ofen hervorlocken, dann reicht theoretisieren über den gesundheitlichen Wert von Bewegung und vollwertiger Ernährung nicht aus. Vorbilder und Initiativen sind gefragt. So ähnlich mögen Renate und Walter Samsel gedacht haben, als sie die wenigen Individualisten, die schon vor der Boomzeit im Dorf herumrannten, kurzerhand rekrutierten und als Helfer oder Übungsleiter vor den Karren einer flugs geschaffenen Frühjahrskur spannten. Walter trug damals noch einen wuseligen, pfeifenrauchblau-schwarzen Vollbart und glaubte zu wissen, woran es den Wremern hauptsächlich mangelt: An Gesundheit und Bewegung. Das eine hängt vom anderen ab. Und weil aller Anfang schwer und gemeinsames Leid bekanntlich geteiltes Leid ist, konnte der innere Schweinehund eben nur in der Gemeinschaft mit Gleichgesinnten und in Form einer sechswöchigen Kur bekämpft werden.

Durch diese Aktion sollten die Wremer auf eine gesündere Lebensführung durch Sport eingestellt werden und dabei auch ihre Ernährungsgewohnheiten überprüfen. Sechs Wochen Strampeln ist natürlich für die Katz, wenn danach der Rückzug auf die Couch erfolgt. So blieb die leise Hoffnung, daß die derart Bewegten nach Ablauf der sechs Wochen auf die neu gewonnenen Erkenntnisse nicht mehr verzichten mögen und weiterhin aktiv bleiben. Was auch einige geschafft haben!


Nach so viel persönlichem Engagement der erhoffte Domino-Effekt: Das ganze Dorf war so angetörnt, daß die jährliche Wiederholung zunächst keine Frage war. Sechzehn (oder achtzehn?) Marathoni und ein fester Stamm an LäuferInnen gingen aus dieser Zeit hervor. Ein vorzeigbares Ergebnis. Bei Laufveranstaltungen wie die 33 km von Sylt, die 25 km in Springe, Schwerin oder Marathon (42,1 km) in Bremen, Bremervörde, Hamburg, Berlin, Wellen und sogar New York war der TUS Wremen regelmäßig, zahlreich und stark vertreten. Unvergessen auch die drei Laufwochenden mit Campingeinlage, als der Elbe-Weser-Wanderweg von Bremerhaven nach Glückstadt (110 km) bei großer Hitze statt erwandert kurzerhand erlaufen wurde und ein Jahr später der Weitwanderweg Cuxhaven - Bremen begonnen wurde. Oder die Tour de Watt an jenem sonnigen Sonntagvormittag, als wir barfuß von Sahlenburg nach Neuwerk und zurück liefen. Oder die Silvesterläufe Wremen - Brandungsbad Duhnen. Die Hörnum-List Laufwochenenden durch die Dünen der Insel Sylt. Oder die Schlammschlacht von Grebenstein, mit Betonung auf "stein". Doch nicht nur Laufen stand auf dem Programmzettel: Die Enterung der plattbodigen "Eendracht" stand an. Bei Sturm und Dunkelheit, durch Schafschiete tappend, weit draußen im holländischen Outback, hatten wir endlich Planken unter den Füßen, bevor wir dann am nächsten Tag mit vollen Segeln über das Isselmeer schaukelten.
 Ein Jahrzehnt ist ein langer Zeitraum. In zehn Jahren findet man sich zum Beispiel in zwei Stufen ratz-fatz von M-40 nach M-50 katapultiert, stets mit der Illusion im Kopf, daß Wettkämpfe samt Konkurrenz mit Erreichen der neuen Altersklasse endlich in den Griff zu bekommen seien! So bleibt es nicht aus, daß andere Sportarten, wie Radfahren, Ausdauerschwimmen, Triathlon oder Rollerskaten ins Blickfeld rücken und ausprobiert werden, um künftig den Urlaub und die Freizeit zu bereichern. Das Laufen verlor jedoch nie seine Attraktivität. Laufen ist und bleibt der Schlüssel zu Ausdauer, Gesundheit und Wohlbefinden.

Doch mit den Zeiten ändert sich wohl auch der Mensch. Man findet schnell zu neuen Ansichten, Meinungen Denk- und Handlungsweisen. Die überschwengliche Euphorie der späten 80er Jahre ist verflogen. An ihre Stelle trat eine eher nüchterne Betrachtungsweise: Der Dauerbrenner Frühjahrskur, später in TUS-Aktiv umgetauft, wurde '94 mangels Akzeptanz durch die Wremer Bürger nicht mehr weitergeführt. Unser Dorf scheint, was Sportbegeisterung anbelangt, ausgereizt zu sein. Ja, es gibt diverse Lauftreffs, aber die Zeiten des Zuwachses und der Geschlossenheit sind vorbei. Gelaufen wird nach Absprache, in Minigruppen, solo, sporadisch oder überhaupt nicht mehr - und immer öfter am Verein vorbei. Auch ein gemeinsamer Stammtisch kam trotz aller Bemühungen nie zustande, und woran der einescheiterte, ist im Nachhinein schwer zu sagen. Am hohen Bierpreis sicher nicht, oder doch? Er war immerhin Brut- und Planungsstätte für alle möglichen Unternehmungen. Wo mögen die Gründe liegen für den (vermuteten) sozialen Rückzug in Isolation und Abstinenz? Ist es allein die Situation auf dem Arbeitsmarkt und die damit verbundene Existenzangst, die sich lähmend und lusttötend auswirkt, und so selbstverständliche Dinge wie das Ausüben von Sport einschränkt oder gänzlich verhindert? Oder sind wir einfach zu satt, zu überreizt, oder alles zusammen?

Problemlos und ohne großes Auf und Ab hat sich dagegen der Deichlauf entwickelt, bislang krönender Abschluß aller TUS-Aktiv Wochen. Konnten wir im Jahr 1987 knapp einhundert Teilnehmer zur Premiere begrüßen, trafen sich acht Jahre später bereits zweihundertfünfzig Lauf- und Wanderfreunde an jenem Samstag um 17 Uhrim Wonnemonat Mai. Erst mit dem Wegfall von TUS-Aktiv brachen die Teilnehmerzahlen leicht ein. Besonders erwähnenswert sind drei Läufer und eine Läuferin, die keinen der neun Deichläufe ausgelassen haben: Hellen Struck, Rudolf Hahn, Ralf Wilhelms und Jürgen Zentner! Acht mal waren Edith Reese, Rita Schüßler, Heike Vogler, Peter Augustin und Helmut Krull mit von der Partie. Wenn Klaus dann wieder einmal zu zählen beginnt: Zehn, neun, acht ..., drängeln sich alle wieder hinter der Startlinie.

Ein eingeschworenes Team von Helferinnen und Helfern, große Zuverlässigkeit, eine abwechslungsreiche Streckenführung und gute Organisation haben den Wremer Deichlauf zu dem gemacht, was er heute ist: Eine weitum beliebte Veranstaltung. Mal schauen, was diesmal los sein wird, Anmeldungen liegen jedenfalls schon vor.

-pv