Last updated:
17.05.2003
Bärentriathlon in Oldenburg
Das durchdringende Piepen des Weckers reißt mich aus dem
Schlaf. Noch im Dunkel taste ich gähnend nach dem Störenfried
und bringe ihn vorerst zum Schweigen. Was is'n jetzt
kaputt? Warum so früh, warum überhaupt, Alltag oder
Wochenende? Kurzes Überlegen - richtig! Sonntagmorgen,
Bären-Triathlon in Oldenburg. Plötzlich bin ich hellwach,
schwinge mich aus dem Bett und ziehe die Rolläden hoch. Die
Amseln flöten lauthals, versuchen sich wieder einmal
gegenseitig zu übertreffen. Ein wunderschöner Morgen lacht
mir entgegen. Der Wetterbericht gestern hat also recht
behalten, ein heißer Tag kündigt sich an. Na, denke ich,
besser so, als kalt und regnerisch.
Schön, daß ich das Fahrrad schon am
Vorabend gecheckt und meine Tria-Box gepackt habe; damit
erübrigt sich die Frage "Hast du auch nichts vergessen,
an alles gedacht?". Nicht auszudenken, ohne Badehose an
den Start zu gehen oder gar barfuß laufen zu müssen, nur weil
die Schuhe zuhause in der Ecke stehen. Nach einem
Minifrühstück bin ich unterwegs zur Fähre Sandstedt.
Übermäßig viel trainiert habe ich nicht in letzter Zeit, aber
für eine annehmbare Zeit unter zweieinhalb Stunden wird's
wohl reichen, beruhige ich mich. Mal sehen, wie es heute
läuft. Geringes Verkehrsaufkommen macht die Ankunftszeit
berechenbar. Wenn ich die Fähre rechtzeitig erwische, kann
eigentlich nix mehr passieren. Ich werde pünktlich am Kleinen
Barnhorster See sein, einem immerwarmen Natursee, gut
versteckt hinter hohem Buschwerk, und mir meinen Beutel mit
den Startunterlagen holen.
Nach der obligatorischen Frage "Mit
oder ohne?" malt mir eine der zahlreichen Helferinnen
mit einem klecksenden Spezialstift die Startnummer auf beide
Oberarme und entläßt mich mit einem freundlichen Lächeln. Ich
wundere mich immer wieder über den Mut, den der Veranstalter
aufbringen muß, wenn er so einen Wettbewerb ausschreibt.
Wieviel Idealismus dazu nötig ist, kann der Außenstehende nur
ahnen. In Ratzeburg z.B. sind mehr als 600 freiwillige Helfer
(bei rund 700 Teilnehmern!) im Einsatz, um den beliebten
Insel-Triathlon durchzuziehen. Fast so viele, wie unser
Verein Mitglieder hat! Die Athleten haken die Veranstaltung
nach rund fünf Stunden als gegessen ab und sind längst auf
der Heimfahrt, während die Hiwis vor Ort immer noch damit
beschäftigt sind, Zelte und Absperrungen, den Fahrradpark
oder die Umkleidezone abzubauen.
Vor Ort sind inzwischen die letzten
Parklücken gefüllt. Gewusel, Stimmengewirr, Lachen überall.
Während ich mich mit meinen Utensilien auf den Weg in die
Wechselzone aufmache, versuche ich mir die Wege und meinen
Platz genau einzuprägen: Reihe, Gang, Nummer. Das gehört zu
den Startvorbereitungen, wer will denn später beim Umziehen
Zeit verlieren? Die ersten Zuschauer finden sich an der
Umkleidezone ein, während ich die Sachen vorsortiere, die ich
nach dem Schwimmen zum Radfahren brauche. Ein prüfender
Blick, bevor ich mein Rennrad in den "Parc fermé"
schiebe, zu dem nur die Athleten Zutritt haben. Luftdruck ok?
Alles rund, alles fest, keine Fremdkörper in der Decke?
Sportler begrüßen sich, flachsen herum, die meisten kennen
sich von früheren Wettkämpfen, leider blitzen aber auch
Ansätze von elitärem Gehabe auf, eine Show ist es sowieso.
Nach der Wettkampfbesprechung, in der den AthletInnen die
Besonderheiten der Strecken, Starteinteilungen und -zeiten
sowie die Wettkampfordnung erläutert werden, steigt dann die
Spannung auch beim Coolsten der Coolen. Noch fünfzehn Minuten
bis zum ersten Start. Viele zwängen sich in ihren
Neoprenanzug, andere testen erst noch die Wassertemperatur
oder schwimmen sich ein. Und alle tragen nun den farbigen
Kopfpräser. Dicht zusammengedrängt zappeln die Sportler
hinter dem Startband an der Uferkante und zählen die
Sekunden.
Fünf, vier, drei, zwo, eins, Stoppuhr
gedrückt und ab. Endlich. Die ersten rennen los und stürzen
sich in die Fluten; sie wissen, nur wer vorneweg schwimmt,
schwimmt unbehelligt. Bald habe auch ich den Grund unter den
Füßen verloren und tauche unter. Für mich ist der
Schwimmstart immer die aufregendste und gleichzeitig
kritischste Phase des Wettkampfes. Dunkelgrün umfängt mich
das 21º-warme Wasser dieses herrlichen Moorsees. Ich bin ein
paar Sekunden bis zum Auftauchen akustisch abgeschnitten von
der Außenwelt, ohne Sicht oder Bodenberührung, und allein.
Mit mindestens hundert Haien, von denen jeder auf engstem
Raum um seinen Platz und das Fortkommen kämpft. Als wäre ich
in einem überdimensionierten Whirlpool gelandet, so kocht das
Wasser vom Beinschlag der Schwimmer. Grapschen, Schlagen,
Treten - fehlt nur noch ein gezielter Biß! Bald wird's
besser, ich weiß es. Unendlich langsam zieht sich das Feld
auseinander, ich suche meinen Rhythmus, der Puls geht hoch.
Endlich habe ich einen kleinen Freiraum ergattert und wechsle
nach 200 Metern über zum mir vertrauteren Brustschwimmen.
Erstaunt stelle ich fest, daß viele der Kraulschwimmer sich
nicht schneller fortbewegen. Im Gegenteil, auch mal
zurückbleiben, wenn sie wegen der schlechteren
Orientierungsmöglichkeit beim Kraulen einen Zickzackkurs
schwimmen. Ich dagegen fixiere die erste der zwei Wendebojen
mit jedem Zug, bleibe direkt auf Kurs. An den Bojen
wird's noch einmal eng, keiner will einen Umweg
schwimmen. Wunderbar erfrischend, das Wasser, denke ich noch,
als ich nach knapp 20 Minuten aus dem Wasser in Richtung
Umkleidezone renne. Die Luft ist bereits sehr
erwärmt.
Kurz abgetrocknet, das Leibchen übern Kopf
gezogen, Startnummer um den Bauch gebunden, Socken und
Radschuhe an, Brille und Helm auf und im Laufschritt ab in
Richtung Fahrrad. Welche Reihe war das noch gleich, die
zweite von vorne rechts? Knapp die Hälfte der Stellplätze
sind leer, die Hi-Tech-Räder mit ihren Besitzern bereits
unterwegs. Na ja, ich werd's überleben - im Schwimmen war
ich noch nie unter den Besten!
Ich schnappe mir mein Rad, laufe die paar
Meter bis zum Ausgang der Radzone und schwinge mich in den
Sattel. "Klack - Klack" rasten die Schuhe in die
Pedale ein und im Wiegetritt nehme ich Fahrt auf. Wow,
das Gefühl schlechthin: Die Haut ist noch kalt vom
Wasser her, und nun der warme Fahrtwind! Ich fürchte nur, es
wird nicht von langer Dauer sein. Endlich auf dem Rad - meine
Lieblingsdisziplin! Schneller als ich dachte verliert sich
der angenehme Effekt und der Körper heizt auf. Schweiß läuft
in dünnen Rinnsalen unter dem Helm hervor, bahnt sich einen
Weg übers Gesicht und sammelt sich an der Kinnspitze. Mit
viel Liebe ausgesucht, die Streckenführung der Oldenburger:
So wenig wie unbedingt notwendig auf Hauptstraßen,
überwiegend führt der Kurs über kleinere Landstraßen oder
Wirtschaftswege! Ich schließe zu einigen Konkurrenten auf und
überhole sie, immer darauf bedacht, ja nicht in deren
Windschatten zu kommen. Schnurrt ja super heute! Die linke
Hand greift runter zur Trinklasche. Mit beiden Armen auf dem
Trialenker aufgestützt, passiere ich, voll in Fahrt, die
Kilometermarke 20. Halbzeit. Das Feld hat sich stabilisiert,
wenn man die Drei, die in Sichtweite vor mir herradeln als
Feld bezeichnen will. Die Abstände bleiben gleich.
Gelegenheit, um erneut zur Flasche zu greifen und Flüssigkeit
aufzunehmen, die an diesem heißen Tag dringender denn je
gebraucht wird. Leichter Gegenwind. Schalten, nur nicht aus
dem Tritt kommen. Von hinten ist erst leise, dann deutlicher,
das typische Rauschen eines Scheibenrades zu hören.
Wusch-Wusch-Wusch, immer näher. Bestimmt ein junger Crack,
der, obwohl eine halbe Stunde später gestartet, meinen
halbstündigen Startvorsprung schon aufgeholt hat und nun mit
gut 40 Sachen zum Überholen ansetzt. Wiederum bange Sekunden:
Schert er sofort nach dem Überholen wieder ein, dann habe ich
ihn direkt vor mir und bin dann voll in seinem Windschatten,
ohne daß es in meiner Absicht liegt! Wenn's der Deubel
will, lauert gerade hinter diesem Gebüsch ein
Wettkampfrichter. Und es gehört schon ein gut geschultes
Kampfrichterauge dazu, diesen Sachverhalt zu erkennen und dem
Athleten nicht die rote Karte zu zeigen! Ich möchte nicht
wissen, wieviel Triathleten auf diese Weise -zu Unrecht- aus
der Wertung genommen wurden. Durch leichtes Versetzen nach
links entgehe ich dieser Gefahr. Ich horche erneut in mich
hinein: Puls, Atmung ok? Beine schwer? Gerade bei der
Lieblingsdisziplin ist die Gefahr groß, sich zu verausgaben.
Und wenn das Pulver erst mal verschossen ist, wird der
abschließende 10 Km-Lauf zum No-Fun-Run. Gegen Ende der
Radstrecke findet man gewöhnlich die Zeitgenossen wieder, bei
denen es mit dem Einteilen der Kräfte oder mit der
Selbsteinschätzung noch nicht ganz klappt. Noch 500 Meter,
das Ziel kommt in Sicht. Die Streckenposten bedeuten durch
Bewegen beider Hände nach unten "langsam fahren",
ich rolle aus und stelle das Rad an seinen alten Platz.
Unsicher wie ein Storch im Salat wackle
ich auf meinen Radschuhen wieder in Richtung Umkleidezone.
Diesmal geht's fixer: Immer noch nur mit Badehose und
Trikot bekleidet, sind nur die Schuhe zu tauschen, der Helm
gegen ein Schweißband, die Startnummer am Band von hinten
nach vorne gedreht, der Rest bleibt. Es soll ja Spezis geben,
die das Wechseln regelrecht trainieren; denn auch (und
gerade) in dieser "vierten" Disziplin kann Zeit
gutgemacht werden! Schnell noch einen hastigen Schluck aus
der Flasche und ab geht die Post, diesmal auf die
Laufstrecke.
Und dann der Hammer: Die Beinmuskulatur,
die eben noch kraftvoll-rund die Kurbel getreten hat, soll
nun plötzlich die Beine vor und zurück schwingen! Für die
Kenner unter den Zuschauern ein Leckerbissen, für die
Betroffenen weniger lustig. Die befinden sich in einem
Zustand, in dem die Muskeln noch radfahren und der Wille
vergeblich kommandiert "Du sollst laufen!". Zum
Glück dauert dieser Zustand nicht ewig und schon nach rund
500 Metern ist diese finale, körpereigene Schikane
überwunden. Dann gongt es wieder: Diese fürchterliche Hitze!
Was eben auf dem Fahrrad noch erträglich schien, ist nun zu
Fuß geradezu mörderisch! Kein kühlender Fahrtwind mehr, keine
Spur von Schatten, bleiern liegt die Hitze über den Feldern.
Schon auf dem ersten Kilometer beschleichen mich Zweifel, ob
das nur eine neue Erfahrung ist oder schlichtweg ungesund.
Erneutes Horchen und Befragen der Physis: Kreislauf, Puls,
Muskulatur - alles ok? Doch diesmal kommt statt der üblich
knappen Rückmeldung ein gedehntes "Ja, aber ....."
Ich: "Es sind nur noch acht Kilometer, die reißt
du doch sonst auf der linken Backe ab!" Er:
"Stimmt, aber nicht unter solchen Bedingungen!"
Schweigen.
Ich fange an, jeden Schritt zu zählen. Der
Schweiß springt nur so aus den Poren. Schlecht, denke ich,
soviel kann ich gar nicht trinken, wie ich an Flüssigkeit
verliere. Noch nie zuvor habe ich bei einem Triathlon so
viele gehende Athleten gesehen, auch junge! Doch wie
so oft in der Stunde der Not, die Rettung naht in Form einer
Wasserwand. Irgend ein netter Zeitgenosse hat einen
Wasserschlauch zu einer Dusche umfunktioniert! Sonst währt
jedwedes Glück meist nur Sekunden, da waren's volle zwei
Minuten! Derart erfrischt und pudelnaß, fühle ich mich wie
neu geboren. Plötzlich ist alles wieder stimmig, locker. So
komme ich auch ins Ziel, greife nach dem obligatorischen
Finisher-Shirt, das mir eine Helferin entgegenstreckt und
stürze mich auf die Orangenviertel und Bananen am
Verpflegungsstand. Geschafft! Trinken und immer wieder
trinken, gefolgt von einem erfrischenden Bad im See. Freude
steigt in mir auf, weil wieder einmal alles gepaßt hat: Keine
Zeit verschenkt unterwegs, aber auch nicht total verausgabt -
genau so, wie ich's mag!
Der Triathlon hat in Hawaii seinen
Ursprung, er soll angeblich aus einer Wette unter Sportlern
entstanden sein. Er besteht aus dem Aneinanderreihen dreier
Sportarten: Schwimmen, Radfahren und Laufen. Sieger ist, wer
alle drei Disziplinen regelgerecht absolviert und mit der
kürzesten Gesamtzeit das Ziel erreicht. Anfänglich gab es nur
eine Distanz: 3,8 Km Schwimmen, 180 Km Radfahren und ein
Marathonlauf über 42,195 Km. Als diese neue Sportart populär
wurde, begann man diese Distanz jeweils zu halbieren. So
entstand der Mittel- und Kurztriathlon. Später rundete man
mit dem Volks- (300m Schwimmen, 20 Km Rad, 5 Km Laufen) und
Ultratriathlon (Verdoppelung der vollen Distanz!) die Palette
unten und oben auf. So ist für jeden Geschmack und
Leistungsvermögen das passende Angebot vorhanden.
Viele Interessenten sagen sich von
vornherein, das ist nichts für mich: Ich habe nur ein
Sportrad mit fünf Gängen und schwimmen kann ich so gut wie
eine Bleiente. Falsch! Es kommt am Anfang nicht
auf die vollständige Ausrüstung an, um teilnehmen zu können.
Es gibt keine Beschränkungen für die Art des
Fahrrades und auch der Schwimmstil, selbst die Farbe der
Badehose, ist frei wählbar. Ein Neopreanzug (zirka 200 bis
400 Mark teuer) wird vom Veranstalter nicht
vorgeschrieben und ist zum Probieren bestimmt nicht
notwendig! In den Sommermonaten beträgt die Temperatur der
Seen im Norddeutschen Raum je nach Saison und Wetterlage
zwischen 18 und 23 Grad, und nur Frostködel brauchen bei
solchen Wassertemperaturen und Schönwetter einen Anzug. Ich
behaupte: Jeder, der regelmäßig 10 bis 15 Km läuft und dabei
auf etwa 35- 40 Wochenkilometer kommt, steht einen
Kurztriathlon in annehmbarer Zeit (so um die drei Stunden)
locker durch, sogar ohne spezielles Rad- und
Schwimmtraining! Ich spreche hier nur von gesundem
Bewältigen eines Kurztriathlon. Um eine
2-Stunden-Zeit hinzulegen, braucht es selbstverständlich
gezieltes und intensives Training! Besonders der Nur-Läufer
erlebt bei seinem ersten Triathlon, wie wohltuend die
Abwechslung sich besonders auf
"Langläufer" auswirkt. Im Hallenbad kann zudem
jeder für sich vorab feststellen, ob er 1000 Meter ohne
Unterbrechung schwimmen kann. Zeit und Stil sind dabei egal!
Am besten, man sieht sich dann bei Gelegenheit den Ablauf
eines Triathlon als Zuschauer vor Ort mal an. Ich wette, der
richtige Entschluß läßt nicht lange auf sich
warten!
Kosten
Die Startgebühren bewegen sich zwischen 25
und 50 Mark, wobei 40 Mark die Norm ist. Da nicht jeder
Triathlon just vor der Haustüre stattfindet, kommen auch
Fahrt-, u.U. auch Übernachtungskosten dazu.
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