Last updated: 17.05.2003
Unermesslicher Fundus
Dümmer geht‘s nicht — ein Kaleidoskop herausragender Dämlichkeiten, die im zurückliegenden Jahr begangen wurden.
Aus dem SPIEGEL



Ein Publikum, das 1998 erfahren hat, dass acht Prozent der Iren schon einmal ein Kondom benutzt haben, dass die Pekinger Stadtverwaltung den Verlust von monatlich rund 1000 Kanaldeckeln beklagt und Helmut Kohl angeblich eine gelbe Badehose besitzt, wundert sich nicht mehr so leicht.

Um es in Erstaunen zu setzen, muss man schon auf letztjährige Nachrichten besonderer Art zurückgreifen — etwa die von

> dem ungeduldigen Engländer, der sich einen Einlauf mit Fließbeton verpasste, um den ,,gottverdammten Ärzten zu zeigen, wie man einen Durchfall in Null Komma nichts kuriert";

> den zwei brasilianischen Fliegern, die mit ihrer Cessna abstürzten, als sie ihre entblößten Hintern an die Cockpit-Scheiben pressten — als Ausdruck ihres Missfallens über eine auf Parallelkurs fliegende Maschine;

> dem Stockholmer Zahnarzt, der einem zahlungsunfähigen Patienten sämtliche Brücken von den implantierten Titan-stiften riss und den Malträtierten bündig beschied: ,,Kein Geld, keine Zähne";

> dem Tokioter U-Bahn-Fahrgast Katsuo Katugoru, dessen Unterhose sich im Rush-hour-Gedränge ballonartig zu blähen begann — erst barsten die Nähte seiner Anzughose, dann die Rippen zweier Mitpassagiere, denen Herr Katugoru höffich eröffnete, es handle sich um eine bedauerliche Fehlzündung seiner pressluftbetriebenen Erfindung gegen erdbebenbedingte Flutwellen;

> dem Vorsitzenden der tschechischen Pensionärspartei Eduard Kremlicka, der in Erfüllung eines Wahlversprechens öffentlich einen lebenden Käfer aß — das hatte er gelobt, falls seine Partei den Einzug ins Parlament nicht schaffe;

> dem Drogenkriminellen Fernando Varro, der eine Briefbombe an die kolumbianische US-Botschaft schickte, jedoch am Porto sparte — wieso er ausgerechnet auf der Toilette saß, als er das wegen Unterfrankierung retournierte Paket öffnete, konnte der Kokainero der Nachwelt nicht mehr mitteilen.

Unermesslich ist der Fundus an Narretei, aus dem sich die Einfaltspinsel auch 1998 mit gewohnter Professionalität bedienten:

Erhaben sind die Werte, die sie auf der weit nach unten offenen Richtskala menschlicher Blödheit erzielten, wie der Rückblick auf die pressepublik gewordenen Trottel-taten des letzten Jahres beweist — eine unerschöpfliche Fundgrube für die Morialogie, die Wissenschaft von der Dummheit.

Weil Narrentum oligodynamisch, also in kleinsten Mengen wirksam ist, sterben die linkshemisphärisch Minderbemittelten oft vor der Zeit: mal zu Lande wie der Kettenraucher aus Yorkshire, der sein Hämorrhoiden-Leiden mittels eines ausgedehnten Sitzbades in Spiritus zu lindern trachtete; mal in der Luft wie jener niedersächsische Heidewanderer, der einen Starkstrommast erklomm, um die 100 000-Volt-Leitung als Zigarettenanzünder zu benutzen.

Oder aber zu Wasser, wo ein Motorjachtler auf dem nordamerikanischen Huronsee während eines Gewaltgewitters den Mast seines Schiffes bestieg, die Arme zum blitzdurchwirkten Himmel reckte und rief: ,,Herr, hier bin ich."

Das schien auch der malaysische Kampffisch in Boston sagen zu wollen, als er die im Aquarium nach ihm haschende Hand seines Besitzers Michael Gentner zwickte.

 

Der war darob derart erzürnt, dass er seinen geschuppten Genossen zur Strafe verschluckte — erst erstickte der Fisch, dann der Mensch: Als die Retter eintrafen, waren sowohl Gentner wie auch der aus seinem Munde ragende Fischschwanz reglos und nicht mehr reanimierbar.

Den Intelligenzquotienten einer geistig zurückgebliebenen Miesmuschel hatte der Bankräuber, der eine Filiale der Bank of America in San Francisco aufsuchte und dem Begehr (,,Geld her! Sonst tot!") auf ein Überweisungsformular des Instituts krakelte. Dann wurde er nervös und entschied sich, die gegenüberliegende Filiale der Wells Fargo Bank aufzusuchen.

Dort jedoch sagte ihm der Mann am Schalter, er bedaure, sorry, aber es widerspräche der Geschäftspolitik von Wells Fargo, bei solcherlei Überfällen Formulare der Konkurrenz zu akzeptieren. Deshalb müsse er wieder zur Bank of America — folgsam wartete er dort in der Schlange, als die Polizei ihn festnahm.

Fast so bescheuert stellte sich Deutschlands blödester Dieb des letzten Jahres an, der sich der Handtasche einer 83jährigen Bonnerin zu bemächtigen suchte, die in der Kabine eines Passbild-Automaten saß. Als es in der Kabine zu blitzen begann, schleuderte er den Vorhang beiseite und beugte seinen Döskopp im Profil vors Objektiv — der erste Verbrecher, der sein Fahndungsfoto selber schoss.

Führend in der Kategorie der dümmsten Polizisten 1998 sind die zwei Beamten, die einen Mann mit nur einem Bein und einem Arm in der kenianischen Stadt Marsabit festnehmen wollten — Fehlanzeige: Der Krüppel knüppelte die Vertreter der bemützten Gewalt mit seiner Krücke nieder und konfiszierte ihre Pistolen.

Dann tat er, wovon Millionen Knöllchenopfer träumen: ,,Er zwang die Beamten, auf allen Vieren zum Polizeirevier zu kriechen. Dabei mussten sie ihn ,hoher Herr‘ nennen, vor ihm salutieren, die Nationalhymne singen und ihm den Hintern küssen", berichtete District Commissioner Sam Ojuang gegenüber dem ,,Kenya Standard". In der Wache angelangt, übergab der Mann dem Polizeichef die Waffen und bat um seine Festnahme.

Besonders roh, so die Analyse der letztjährigen Verrücktheiten, verfährt das Schicksal mit

> Tüftlern, die eine weiche Birne haben, aber einen Erfinderwillen aus Stahl, wie der Kanadier Troy Hurtubise, der sich von den vier Praxistests seines ,,BärenSchutzanzugs" stets im Krankenhaus erholte — zweimal nagten ihn die Bären an, zweimal beließen sie es bei einer zünftigen Tracht Prügel;

> Japanern, die Löwen und Tigern ins Gehege kommen — ihre Führung in der Nationenwertung der Tier- und SafariparkOpfer verdanken sie einer Reihe mutiger Landsleute, die ruhende Raubkatzen mit einem Kick in den faulen Leib zu fotografiegerechter Aktivität zu veranlassen suchten;

> den De-Luxe-Idioten, die von Brücken auf die Oberleitungen der Eisenbahnen herunterharnen, nur um herauszufinden, ob auch Strom drin ist, wo Strom dran steht.

Dass dem so ist, musste auch der Brite erfahren, der mit seinem Kumpel um zwölf Biere gewettet hatte, dass Oberleitungen keinen Strom führen, wenn der Zug im Bahnhof steht. ,,Ihm bleibt als einziger Trost", kommentierte mit adoleszentem Humor der Polizeibericht, ,,dass er die Wette nicht mehr bezahlen muss."

HENRY GLASS